
Hoher Besuch, wichtiges Thema: Wie können Geflüchtete aus der Ukraine schneller im Arbeitsleben Fuß fassen – und damit auch in unserer Gesellschaft? Wie können Unternehmen im Gegenzug bislang ungenutztes Fachkräftepotenzial heben? Über diese Fragen sprach Niedersachsens stellvertretende Ministerpräsidentin und Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne) am Freitag mit Vertretern des Friedeburger Netzdienstleisters TBD, in lockerer Runde – bei Ostfriesentee und „Krintstuut“.
TBD empfing die Ministerin stellvertretend für das Bündnis „Powerhouse Nord“, das die Küstenregion zwischen Ems und Elbe stärken will. TBD gehört zu den frühesten Unterstützern des Bündnisses.
Konzept für acht Ukrainer
Auch im Projektgebiet von „Powerhouse Nord“ ist Fachkräftegewinnung eine zentrale Herausforderung. TBD hat deshalb ein Modell entwickelt, das acht Ukrainern den Einstieg in die Arbeit am Stromnetz ermöglicht – begleitet von Qualifizierungen im eigenen Schulungszentrum.
Im September starten sie mit einem vierwöchigen Praktikum. Danach sollen unbefristete Verträge folgen. Unterstützt werden sie von Olha Shevchuk, selbst Ukrainerin mit Erfahrung im Personalmanagement. Sie begleitet das Projekt sprachlich und organisatorisch und hilft bei der Integration.

Sprachbarrieren und Unsicherheiten
„Wir haben auf einer Jobmesse viele interessierte, engagierte Ukrainer getroffen, die gern arbeiten möchten. Aber deren Sprachkenntnisse reichen oft noch nicht für eine duale Ausbildung. Deswegen haben wir uns Gedanken gemacht, wie wir trotzdem Perspektiven geben können“, sagt TBD-Geschäftsführer Arnd Kleemann.
Viele Geflüchtete wünschen sich dennoch eine Ausbildung, da diese ein gesichertes Bleiberecht („Ausbildungsduldung“) garantiert. Bei einer betrieblichen Qualifizierung fehlt diese Sicherheit – für beide Seiten.

„Tolle Menschen verdienen faire Chancen“
„Hier geht es nicht darum, die duale Ausbildung infrage zu stellen, die weltweit hohes Ansehen genießt. Aber es wäre wünschenswert, dass auch das schrittweise Befähigen durch eine betriebliche Qualifizierung mehr Wertschätzung erfährt“, betont TBD-Geschäftsführer Uwe Jahnke. „Das führt schneller zu Eigenständigkeit und finanzieller Unabhängigkeit, verbessert die Integration – und entlastet öffentliche Kassen.“
Arnd Kleemann ergänzt: „Wir gehen hier in Vorleistung, weil hier tolle Menschen sind, die uns überzeugen und eine faire Chance verdienen. Wir wollen sie zu Fachkräften entwickeln, die langfristig ihre berufliche Perspektive in Deutschland sehen und gefunden haben. “

Ministerin sagt Unterstützung zu
Die Ministerin zeigt sich beeindruckt: „Die Leute an die Hand zu nehmen, im Unternehmen durch eine betriebliche Qualifizierung weiterzubilden und zu integrieren, ist ein toller Ansatz.“ Zugleich betont sie etwa beim Thema der Ausbildungsduldung auch bei betrieblicher Qualifizierung die Notwendigkeit klarer Konzepte und Standards, um Missbrauch zu verhindern und Qualität der individuellen Weiterbildung zu sichern – ohne neue Bürokratiemonster.
Hamburg kündigt an, sie werde das Thema gern in Gespräche auf weiteren Ebenen tragen und könne sich gut einen weiteren Dialog mit dem Unternehmen vorstellen, um weitere Entwicklungen aus Praxissicht zu flankieren. Auch, wenn es darum gehe, Berufssprachkurse auf breiterer Ebene zu etablieren.
Unterstützung aus der Region
Olaf Reichert, Geschäftsführer von Powerhouse Nord, erklärt: „Der Ansatz von tbd ist besonders. Das Unternehmen zeigt: Wenn wir anpacken, tun wir es mit Leidenschaft. Die Herausforderungen, Fachkräfte zu gewinnen und Geflüchtete zu integrieren, betreffen uns alle. Deshalb wollen wir uns einbringen, um Rahmenbedingungen zu verbessern.“
Olha Shevchuk selbst sagt: „Ich bin sehr dankbar für die Chance – und der Weg, den tbd geht, ist mutig. Hier kann man gleich wirksam werden und lernt gemeinsam mit Muttersprachlern. Das macht das Ankommen viel einfacher.“
Friedeburgs Bürgermeister Helfried Goetz würdigt die Initiative: „tbd steht für enge Verbindungen auf vielen Ebenen, auch zu den Menschen vor Ort. Dieser Spirit ist Teil des Erfolgs.“ Und dieser Spirit zeige sich auch in der neuen Fachkräfte-Initiative.
Mit großem Dank fürs Interesse, die Zeit und Impulse der stellvertretenden Ministerpräsidentin verbindet sich zum Abschied die Hoffnung, im Dialog zu bleiben – um mitzuhelfen gemeinsam Dinge zu bewegen in der Hoffnung, die Bedingungen fürs berufliche und private Ankommen von Geflüchteten zu vereinfachen und zu verbessern und zugleich auch Unternehmen das Entwickeln neuer Fachkräfte zu vereinfachen.
