
Es begab sich aber zu der Zeit, da das Weihnachtsfest näher rückte, als Peer die Idee zum zwischenmenschlichen Elchtest kam. „Man merkt schon, dass die Menschen im Advent angespannter werden, manche auch unfreundlicher“, sagt der Gas-/Wasser-Installateur, der von Bernau aus zu Einsätzen aufbricht. „Die Leute hetzen durch die Tage – und wennse sich da Zeit freischaufeln müssen für einen Termin, bei dem Zähler oder Gasdruckregler getauscht werden müssen: Datt spürste sofort, wennde klingelst und die Tür aufgeht.“
Wie ein wenig Unsinn das Eis brechen kann
Das brachte den „Langen“, wie der Zwei-Meter-Mann intern heißt, schon vor Jahren zum Grübeln: Wie nimmt man Menschen in dieser Zeit ein wenig Last von der Schulter? „Eines Tages fiel mir wieder eine Rentier-Mütze mit kleinem Plüschgeweih in die Hände. Vor 25 Jahren in Dresden gekauft – auf’m Weihnachtsmarkt, aus Quatsch. Da dacht’ ich: Ziehste die einfach bei der Arbeit an.“
Gedacht, getan – mit spürbarem Effekt: Der milde Anflug von Unsinn bricht das Eis – immer wieder wandelt sich verfinsterter Grimm in Grinsen. „Sicher 90 Prozent der Leute lächeln. Klar, ein paar denken auch: ,Was is’n ditt für’n Spinner?‘ Aber wenn man freundlich bleibt und seine Arbeit gut macht – is’ doch kein Problem“, sagt er. „Haste eigentlich Deine Mütze schon rausjelegt?“, fragte René, Leiter unseres Projektbüros in Bernau, schon letzte Woche. „Ist ja bald wieder soweit.“ Peer nickte. Grinste verschmitzt. „Klar.“

Unterwegs im Nirgendwo
Für Fotos setzt er die Kappe mit Plüschgeweih schon ein paar Tage früher auf – in der tiefsten Uckermark, bei Angermünde – wo er im Auftrag der EWE Netz Gasdruck-Regler tauscht. Oberdorf. Eine Stichstraße, anderthalb Dutzend ältere Häuser, die sich in die Ackerhügel schmiegen. In der Ferne ragen der Kirchturm und das Obergeschoss vom Rittergut im nächsten Dorf auf: Mürow.

Die alten Druckregler besitzen Ausblaseleitungen, die bei Überdruck Gas nach draußen führen. Beim kleinen Haus ganz hinten links endet sie unter einem Fenster – wäre es geöffnet, könnte Gas ins Haus zurückströmen. Beim grau verputzten Nachbarhaus davor endet die Leitung in einer kleinen Nische der Hausverkleidung – im Styropor könnte sich Gas sammeln. „Und im schlimmsten Fall knallt’s, weil die Konzentration explosionsfähig wird. Ditt woll’n wir ja nicht“, sagt Peer.

Einsatz für mehr Sicherheit
Deshalb rückt er an: alten Druckregler raus, Ausblaseleitung verschließen, neuen Regler rein, der ohne so eine Leitung auskommt. Hier, in der Einsamkeit, fällt sofort auf, wenn sein Einsatzbulli heranrollt. Ein älterer Herr kommt Peer entgegen, wirft einen Blick zur Mütze und sagt: „Na, Sie seh’n ja jut aus.“ Lacht. Er hätte auch – wie Beckenbauer in der alten TV-Werbung – fragen können: „Ja, ist denn scho’ Weihnachten?“ Elchtest bestanden.

Der ältere Herr zeigt Peer den Heizungskeller, wo der „Lange“ sich klein machen muss. Denn der Regler sitzt unter einer kleinen Stahltreppe. „Na, dann wollen wir uns mal ein bisschen verrenken“, sagt Peer und grinst kurz, streichelt den alten Heizkessel: „Immer gut warten lassen, lieb zu ihm sein, gut zureden, dann machter’s noch lange. Ist‘n Juter!“
Der Hausbesitzer verschwindet, um Kaffee zu kochen. „Ist ja so kalt draußen – und da soll’nse doch wenigstens watt Warmes zu trinken haben.“ Peer schiebt die Rentier-Mütze aus der Stirn, setzt Zangen an, biegt sich halb unter die kleine Treppe. Als der Hausbesitzer wiederkommt, ist der Regler gewechselt, hat der „Lange“ auch schon mithilfe von Messgeräten die Dichtigkeit überprüft und alles dokumentiert. „Wie, so schnell? Datt machense auch nicht zum ersten Mal“, sagt der Hausbesitzer und lacht.

Was nicht passt, macht Peer passend
Bei seinem Nachbarn zuvor hatte Peer noch ein Zwischenstück improvisieren müssen. Der neue Regler ist anders konstruiert. Peer nimmt Maß, verschwindet kurz im Bulli, um ein passendes Einsatzstück zu besorgen. Damit sich alles sauber fügt und dicht bleibt, schmirgelt Peer das Gewinde ab, raut es an, umwickelt es danach – mit speziellem Dichtband aus Hanf und Thermoplaste. „Da zeigt sich, was’n Fachunternehmen ist“, sagt der Nachbar und staunt.
Als alles wieder sorgsam verschraubt ist, macht Peer die Druckprüfung, schnuppert auch alle Verbindungen nochmal mit einem Gasmessgerät ab. Setzt auch Plomben, damit niemand sich an der Installation zu schaffen macht. Gebrauchsfähigkeit: eins A. Auch hier wird die Ausblaseleitung abgedichtet. Immer wieder erklärt er dem Nachbarn ruhig die Schritte, der interessiert im Keller danebenkauert und zusieht. „Na, Sie wissen wirklich, watt’se tun“, sagt der Nachbar.
Hier draußen in der uckermärkischen Dorf-Idylle scheint der Adventsstress fern. Doch warten noch zahlreiche weitere Regler, auch in städtischeren Ecken. Falls dort der Stress spürbarer wird: Peer hat seine Rentiermütze dabei, um Gestressten ganz beiläufig ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern. Und wenn keiner grimmig guckt, hält sie ihn in der Kälte des Advents wohlig warm.
Wir wünschen Euch einen schönen 1. Advent – mit kleinem Stresspegel und viel Grund zum Lächeln!






