
Die Jacke ist längst aufgetragen, die Ellenbogen sind durchgescheuert. Eigentlich müsste eine neue her – doch die kostet. Das Kind wird eingeschult und braucht natürlich einen Ranzen. Aber wovon bezahlen, wenn das Geld gerade so fürs Nötigste reicht? Und nun steht auch noch Weihnachten vor der Tür. Wie Geschenke kaufen, wenn jeder Euro zweimal umgedreht werden muss?
Rund ein Fünftel der Menschen in Ostfriesland, im Kreis Friesland und in Wilhelmshaven – überdurchschnittlich viele – leben nach Zahlen des Paritätischen Gesamtverbands in Armut. Das heißt laut Definition, dass sie Monat für Monat mit weniger als 60 Prozent vom mittleren Einkommen in Deutschland auskommen müssen. Genau hier setzen die Alltagshelden Ostfriesland e.V. an. Sie geben Menschen ein Stück Würde und Freude zurück: Alleinerziehenden, Aufstockern, Obdachlosen, Familien mit kleinem Budget, Senioren mit Minirenten oder auch Menschen, die nach Härtefällen wie einem Hausbrand plötzlich ohne alles dastehen.
„Die Not vieler Menschen, die durch die Preissteigerungen in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind, wächst spürbar, das merken wir deutlich“, sagt Lisa Mentz, die im Verein die Hilfe koordiniert.

1000 Euro von der tbd-Belegschaft für unbürokratische Alltagshilfen
Weil wir diesen Einsatz enorm wichtig finden, haben wir von tbd uns entschieden, dem Verein 1000 Euro aus der Kasse unserer „Aktion Glückscent“ zu spenden. Das ist eine Initiative, bei der unsere Mitarbeitenden monatlich einen kleinen Betrag spenden, den das Unternehmen verdoppelt. Gemeinsam können kleine Gesten Großes bewirken.
Sachspenden für Menschen mit wenig Geld
Dicht an dicht drängen sich Schwerlastregale auf rund 350 Quadratmetern am Rande der Innenstadt von Wiesmoor, wo der eingetragene Verein seit etwa anderthalb Jahren sein Domizil hat. Genauer: sein Lager, in dem die Alltagshelden Gespendetes unterbringen, um es an Bedürftige weiterzugeben. Der Verein versteht sich als Schnittstelle zwischen Überfluss und Bedarf. Ganz konkret: Die Alltagshelden Ostfriesland sammeln gut erhaltene Sachspenden – Kleidung, Kinderwagen, Haushaltswaren, kleine Elektrogeräte, Schulranzen – prüfen und sortieren sie und stellen daraus bedarfsgerechte Hilfspakete zusammen.
Der Zugang ist bewusst niedrigschwellig: Ein Nachweis der Bedürftigkeit ist nicht erforderlich. Wer Hilfe braucht, kann per Formular, Mail oder Telefon Bedarf, Größen und Besonderheiten (etwa die Lieblingsfarbe eines Kindes) angeben. „Dabei suchen aber immer wir die Dinge aus, möglichst nah an den Bedürfnissen der Menschen, und so fair allen gegenüber wie möglich“, sagt Lisa Mentz.

Akribische Arbeit für schnelle Hilfe
Ehrenamtliche nehmen Spenden entgegen, falten Kleidung, sortieren nach Größe, Typ und Jahreszeit. Die Regale sind bis unter die Decke gefüllt: Hosen, Pullis, Jacken, Unterwäsche, Socken. Alles ist klar geordnet. „Wir sind da enorm akribisch, denn wenn es zu einem Notfall kommt, wollen wir so schnell wie möglich helfen, ohne Umschweife eine Erstausstattung zusammenpacken können und keine wertvolle Zeit durch Suchen verlieren“, sagt Lisa Mentz. Sie ist im Verein diejenige, die die gesamte Hilfe koordiniert, sich um Bedarfslisten kümmert, Kleidergrößen abfragt, sich mit befreundeten Hilfswerken austauscht, wenn etwas benötigt wird.
Vor den Regalen tummeln sich Schuhe in Metallkörben. Im Gang zwischen den Regalen hängen Jacken, flankiert von Regalen mit Kindersitzen fürs Auto. Weiter hinten im Raum tummeln sich Schulranzen, Spielzeug, Kuscheltiere, aber auch Stillkissen, Flaschenwärmer, Wickelauflagen und Lätzchen für Babys, Kochtöpfe, Besteck, Becher, Kaffeemaschinen, Bügeleisen oder Waffeleisen. „Mit selbst gebackenen Waffeln kann man etwa gemeinsam mit Kindern für wenig Geld etwas Besonderes erleben und den Tag versüßen“, sagt Lisa Mentz. Und: „Wir haben alles da, um einem in Not geratenen Haushalt eine komplette Grundausstattung zur Verfügung zu stellen.“

Enges Miteinander mit weiteren Hilfswerken
Gerade in der kalten Jahreszeit sammeln die Alltagshelden auch Schlafsäcke und Thermobecher für Obdachlose. Dabei kooperieren sie eng mit „Hermas Box – Spenden hilft“ sowie der Kleiderkammer des Vereins Wiesmoorer Generationen. „Wir ergänzen uns toll und haben ja alle dasselbe Ziel: Menschen, denen es an Wichtigem hilft, unter die Arme zu greifen“, sagt Lisa Mentz.
Unterstützung bei Weihnachtsgeschenken
Dazu gehört auch, dass die Alltagshelden Jahr für Jahr Weihnachtswünsche bei den Bedürftigen abfragen und versuchen, ihnen unter die Arme zu greifen beim Besorgen und Ermöglichen von Geschenken fürs Fest. „Wir kriegen immer wieder neue unverpackte Dinge gespendet, und zum Teil gehen Spender sogar extra vor Weihnachten einkaufen und stellen uns diese Dinge als Geschenke zur Verfügung. Wir haben auch schon zweckgebundene Geldspenden bekommen, um damit Weihnachtsgeschenke für Bedürftige zu besorgen“, sagt sie.

Von der Schuhkarton-Idee zum Verein
Die Wurzeln reichen rund elf Jahre zurück: Damals begann Jana Schwolow aus Großefehn, Spenden für die Aktion „Weihnachten im Schuhkarton“ zu sammeln. Was als „Verschenke-Aktion Ostfriesland“ begann, anfangs noch im eigenen Wohnhaus, dann mit klammen, kalten Lagerräumen in einer ehemaligen Molkerei, wurde zum Verein „Heart of Mercy“, unter dem das Hilfswerk über Ostfriesland hinaus bekannt wurde.
Der Verein konnte fortanein ungenutztes Gebäude der Großefehner Trauco-Gruppe nutzen. Dort hatten die Mitglieder sogar 1300 Quadratmeter Platz, um dort Spenden für Bedürftige zu lagern – mietfrei. Weil das Unternehmen das Gebäude inzwischen selbst wieder benötigt, ist der Verein umgezogen und hat in Wiesmoor neue Räume gefunden, worüber die Verantwortlichen sehr glücklich sind. Hier müssen sie allerdings beim Unterbringen der gespendeten Sachen mehr Tetris spielen, weil ihnen mit 350 Quadratmetern nur etwa ein Viertel der vorigen Lagerfläche zur Verfügung steht. Zudem müssen hier auch Miete und Nebenkosten über Spenden aufgebracht werden. Mit dem Umzug nach Wiesmoor hat der Verein sich in „Alltagshelden Ostfriesland“ umbenannt.
„Der englische Name war für viele schwer verständlich“, erklärt der Vorsitzende Weert-Peters Prikker. Der neue Name sei einprägsamer und beschreibe plastisch, was der Verein für Menschen in schwierigen Situationen des Alltags leiste.

Buchgeschenke und Kuscheltiere für Kinder
Insgesamt etwa 30 Ehrenamtliche stemmen im Verein Arbeit. Unterstützt werden sie von Menschen in sogenannten Arbeitsgelegenheiten, die damit als Wiedereingliederung eine Brücke zurück in den Arbeitsmarkt bekommen.
Besonders für Familien achten die Alltagshelden auf mehr als nur das Nötigste: Wann immer Pakete für Familien mit Kindern gepackt werden, wird etwa zu jedem Kleiderpaket auch ein Kuscheltier, ein Kinderrucksack, aber auch ein altersgerechtes Buch dazugelegt. „Lesen ist für uns ein ganz wichtiges Thema, weshalb wir die Aktion ,Leseherz‘ gestartet haben, um Kindern den Zugang zu Büchern und ihnen Freude am Lesen zu ermöglichen“, sagt Lisa Mentz.

Geld für Übernahme des Bullis benötigt
Aus ganz Ostfriesland und zum Teil darüber hinaus wenden sich Menschen in einem Umkreis von mehr als 50 Kilometern an die Alltagshelden mit ihren Bedürfnissen und Wünschen, und die überwiegend ehrenamtlichen Mitarbeiter kümmern sich darum, packen Pakete mit dem, was gebraucht wird. Die werden entweder abgeholt oder mit dem Vereins-Bulli in ganz Ostfriesland ausgeliefert. Auf diesen Touren werden immer wieder Spenden wie auch Kartons zum Packen der Pakete eingesammelt.
„Wir haben den Bulli über Spenden für fünf Jahre zur Verfügung gestellt bekommen, die Ende Oktober ablaufen. Das Fahrzeug werden wir nun zum Restwert von 12.000 Euro kaufen, weil wir ihn sonst zurückgeben müssten, über das Spendenprogramm aber keine Fahrzeuge mehr mit der von uns benötigten Größe verfügbar sind, mit denen man Kühlschränke und ähnliche Möbel transportieren könnte. Auch deshalb freuen wir uns riesig über die Spende der tbd-Belegschaft, denn sie hilft hier sehr“, sagt Weert Peters-Prikker.
Wer selbst gut Erhaltenes übrig hat und dem Verein spenden möchte, kann seine Spenden montags bis freitags zwischen 08.30 bis 12.30 Uhr im Lager der „Alltagshelden“, Hauptstraße 216 in Wiesmoor, abgeben. Montags, mittwochs und freitags ist zusätzlich das Büro des Vereins besetzt. In derselben Zeit können Bedürftige dort auch fertig gepackte Pakete selbst abholen. Dafür müssen sie sich zuvor mit Bedarfslisten an den Verein gewandt haben. Wer selbst Hilfe benötigt, erfährt hier mehr, wie ihm geholfen werden kann.