
Die Kleine sitzt im Sandkasten, in Sicherheit – und weint bitterlich. Sie kann noch nicht sprechen, noch nicht schildern, was sie erlebt hat, warum die Gefühle aus ihr herausbrechen. Könnte sie es, wären es bittere Geschichten. Das Mädchen im Krippenalter kam aus einer Notsituation ins Kinderschutzhaus der Initiative für Intensivpädagogik (IfI) in Marienhafe, Ostfriesland. Plötzlich in einer fremden Umgebung, umgeben von unbekannten Menschen – herausgerissen aus allem Vertrauten, egal wie schlimm es war.
Gerettet aus Extremsituationen
Ihr konkretes Schicksal sei hier unerwähnt. Doch wer in der Inobhutnahmestelle in Marienhafe Schutz sucht, hat Schweres durchgemacht. Vielfach Eskalation. Gewalt. Vernachlässigung. Die Kinder sind in schwierigen, oft toxischen Verhältnissen aufgewachsen. Ihre Eltern? Nicht selten überfordert, in Alkohol- und Drogenproblemen und Verwahrlosung gefangen, immer wieder übergriffig, gewalttätig. Statt behütet aufzuwachsen, erleben die Kinder hilflos Angst und Chaos. „Es gibt aber genauso auch Eltern, die unverschuldet in schreckliche Situationen kommen und dann sehr verantwortlich handeln und ihr Kind temporär abgeben”, betont Katja Bontes, Leiterin der Einrichtung. In diesen Fällen seien es eben keine Täterinnen und Täter, “sondern fürsorgliche Eltern, die die Notbremse ziehen”.
Dennoch: Mitarbeitende berichten von bitteren Schicksalen, vom Bemühen, den Kindern und Jugendlichen aufzuhelfen, ihnen einen geschützten Zufluchtsort mit Verpflegung, pädagogischer und psychologischer Betreuung, Stabilität und ein Dach über dem Kopf zu bieten. Davon, wie sich die Kräfte darum bemühen, dass die Kleinen wieder Vertrauen schöpfen und sich sicher fühlen können. Auch davon, überforderte Eltern zu unterstützen. Eine enorm wichtige Arbeit. Deshalb spenden wir von tbd 1500 Euro aus unserer „Aktion Glückscent” an die Einrichtung. Die „Aktion Glückscent”ist eine Initiative, bei der unsere Mitarbeitenden monatlich einen kleinen Betrag spenden, den das Unternehmen verdoppelt. Gemeinsam können so kleine Gesten Großes bewirken.
Wenn es schnell gehen muss: Soforthilfe in der Not
Oft werden die Kinder von Jugendämtern oder der Polizei in Obhut genommen und müssen innerhalb weniger Stunden in einer sicheren Umgebung untergebracht werden. „Zu uns kommen sie aus schlimmen, zum Teil traumatisierenden Akutsituationen heraus, in denen ihr Kindeswohl massiv gefährdet war – um sie zu schützen und zu schauen, wie wir sie unterstützen, die schwierige Situation klären und ihnen je nach Alter helfen können, das Erlebte zu verarbeiten. In ganz vielen Fällen sind die Kinder sexuell missbraucht worden“, sagt Jan Aden, stellvertretender Leiter der Einrichtung. „Auch ganz kleine Kinder schon, die wir aufnehmen.“
Mehr noch: „Wer zu uns kommt, hat häufig körperliche Misshandlungen erlitten, Verwahrlosung. Immer wieder erleben wir unterernährte Kinder, die zuhause fast nichts zu essen bekommen haben. Wir nehmen Kinder auf, die sich schon vor der Geburt nicht richtig entwickeln konnten durch Alkoholmissbrauch der Mutter und die mit den Folgen des Fetalen Alkoholsyndroms zur Welt gekommen sind.“ Auch gewaltsam misshandelte Kleinkinder mit Schütteltrauma finden wiederholt Zuflucht in Marienhafe.

Ein geschützter Ort für Heilung und Stabilität
„In manchen Fällen, wo die Familien dem Jugendamt schon bekannt sind, kann es sogar sein, dass Neugeborene – vielleicht das fünfte oder siebte Kinder der Familie – direkt aus dem Krankenhaus zu uns gebracht werden“, sagt Jan Aden. „Es kann aber auch sein, dass sich etwa ein 13-jähriges Mädchen selbst bei uns meldet und um Schutz bittet. Es kommt aber sogar auch vor, dass ein Elternteil bei uns oder beim Jugendamt anruft, das mit sich, dem Leben, dem Kind überfordert sein eigenes Kind vielleicht geschlagen hat, in jedem Fall aber überfordert und verzweifelt ist und in der aktuellen Situation nicht weiter kann.“
Not kennt keinen Feierabend. Wann immer möglich gewähren die Zuständigen der Jugendhilfe-Einrichtung genau diesen Schutz, rund um die Uhr fachkundig begleitet. Für Kinder aus ganz Ostfriesland, zum Teil auch für Kinder, die von weither kommen. „Es gibt zu wenige Schutzhäuser dieser Art – durch die Lockdowns während der Coronazeit hat es gerade in größeren Städten deutlich mehr familiäre Krisen und Kindeswohlgefährdungen gegeben, und weiterhin suchen Jugendämter auch für die zeitweise Unterbringung bundesweit händeringend nach Plätzen wie diesen.“

Immer mehr Kleinkinder brauchen Schutz
Bis zu neun Kinder, bis 16 Jahre alt, finden hier Platz – meist für drei bis vier Monate. Die Zeit wird genutzt, um bestmögliche Lösungen für die Kinder zu finden: eine Wohngruppe, eine Pflegefamilie, manchmal auch eine Rückkehr in die Familie, wenn sich die Situation entspannen lässt. Das Team aus Marienhafe spricht dann eine Empfehlung aus, über die Jugendamt oder Familiengericht entscheiden.
Doch ein Trend ist besorgniserregend: Immer mehr Unter-Drei-Jährige werden in Marienhafe aufgenommen. „Manche haben nicht einmal gelernt zu spielen“, sagt Aden. „Eigentlich sind wir nur eine Akuteinrichtung, aber manche bleiben bis zu zwei Jahre. Weil es an Unterbringungsmöglichkeiten für Kleinkinder fehlt – und wir wollen, dass sie gut unterkommen.“

Sie kommen oft mit nichts
Seit einiger Zeit haben die Verantwortlichen des Schutzhauses das Obergeschoss zu einer Kleiderkammer umgestaltet, um Kindern und Jugendlichen etwas zum Anziehen anbieten zu können. „Es erschrickt immer wieder, aber es kommt nicht selten vor, dass Kinder nur mit einer Unterhose und einem Shirt bekleidet zu uns kommen – und gar nichts haben. Kein Spielzeug, kein Kuscheltier. Nichts. Und wenn wir bei den Eltern nachfragen, haben die vielleicht noch einen einzigen Pulli und eine Hose, vielleicht ein Paar Socken, ein Paar Schuhe“, schildert Jan Aden.
Auch für die Anschaffung weiterer Kleidung, vielleicht aber auch von neuem Spielzeug könnten die 1500 Euro als Spende der tbd-Belegschaft genutzt werden. „Das hilft wirklich“, sagt Aden. „Bei uns geht schon häufiger als vielleicht normalerweise Spielzeug kaputt, weil Kinder, die aus solch schwierigen, mitunter traumatisierenden Verhältnissen kommen, sich selbst auch nicht immer im Griff haben, schneller gestresst sind, mal ausrasten, auch nie lernen konnten, sich gesund zu regulieren. Was unter den Umständen nur verständlich ist.“

Der Weg zurück ins Leben
Wo immer möglich, versuche man den Kindern den Weg zurück in die Familie zu ermöglichen, Kontakte zu den Eltern behutsam angebahnt, vorsichtig, mit Fingerspitzengefühl, immer fachkundig begleitet. „Wenn klar ist, dass das Kindeswohl dauerhaft gefährdet bleiben könnte, versuchen wir dann, sie anderweitig dauerhaft gut unterzubringen“, sagt Jan Aden. Und während die Kinder in der Einrichtung sind, wird alles getan, um ihnen ein Stück Normalität zu geben – ein Kindergartenplatz, eine Tagesstruktur, ein Gefühl von Alltag.
Unser Betriebsratsmitglied Gerd Mansholt, selbst Vater von fünf Kindern, zeigte sich tief betroffen von den geschilderten Schicksalen und lobte die „wirklich beeindruckende Arbeit“ der Einrichtung. Auch Gretus Kramer, Mitarbeiter in der zerstörungsfreien Werkstoffprüfung, zeigte sich gleichermaßen beeindruckt wie bedrückt. Er hatte das Kinderschutzhaus als Spendenziel vorgeschlagen. Seine eigene Tante hat dort lange Zeit gearbeitet, und schon ihre Schilderungen hatten immer wieder Eindruck gemacht. „Ich bin sicher, hier ist die Spende unserer Belegschaft wirklich gut eingesetzt“, sagt er.

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