Auf unserem Firmengelände in Friedeburg gibt es einen einsamen Ort am Rande einer Halle, von hohen, besonders dichten Betonquadern umstellt, von dicken Bleitoren abgeschirmt. Nur in Ausnahmefällen sieht man dort Menschen, und dann nur zwei: Werkstoffprüfer, die dort gemeinsam mit Hilfe von Selen- oder Iridium-Isotopen Schweißnähte durchstrahlen und fotografieren – auf der Suche nach möglichen Fehlstellen. Und die in einem Laborwagen oder -container außerhalb der Tore und dicken Betonmauern die Aufnahmen entwickeln und akribisch untersuchen. Abgeschieden – schon aus Strahlenschutzgründen. 

Zwei unserer Prüftechniker waren auch an diesem Montag dort. Doch diesmal waren sie nicht allein. Im Gegenteil. Dort, wo es sonst meist menschenleer ist, tummelten sich am Montag plötzlich Menschentrauben.  

Ein halbes Dutzend Fotografen schwirrte umher, ein Fernsehkameramann schob sich dazwischen, alle auf der Suche nach bestmöglichen Bildwinkeln. Darüber baumelte ein Mikrofon an einem Galgen. Journalisten und Journalistinnen von Presse und Fernsehen drängten sich um den Versuchsaufbau, stellten Fragen.  

Unser Prüfplatz für den gelegentlichen Umgang, wie er sich offiziell nennt, ist Prüfplatz geblieben. Tummelplatz bezeichnete ihn für diesen Vormittag aber passender – zumindest in Zeiträumen zwischen den Aufnahmen, für die er selbstverständlich während der Durchstrahlung aus Strahlenschutzgründen geräumt wurde. 

Strahlentechnik trifft auf archäologische Funde

Gekommen waren die Journalisten, Fotografen und Kameraleute, um teilzuhaben an einem besonderen Experiment – und einer nicht alltäglichen Herausforderung für unsere zerstörungsfreie Werkstoffprüfung: denn statt Stahlrohren für Gasdruck-Regel-und-Messanlagen wurden ganz vorsichtig mutmaßlich als Urnen genutzte Gefäße aus der älteren römischen Kaiserzeit auf den Prüftisch gehoben, gefertigt um Christi Geburt, auf rätselhaften Wegen in die Gegend zwischen Uelzen und Lüneburg gelangt und dort mit Leichenbrand und Grabbeigaben befüllt und verbuddelt. Und es hieß: Strahlentechnik trifft in Ostfriesland auf Tausende Jahre alte archäologische Funde. 

Normalerweise schwärmen unsere speziell ausgebildeten Prüfer aus, um akribisch die Güte von Schweißnähten in der kritischen Infrastruktur zu überprüfen, im Sinne von Sicherheit, Gesundheit und Umweltschutz: bei großen Pipelines, bei Biogas-Einspeise-Anlagen, Fundamenten für Offshore-Windkraftanlagen bis hin zum Schiffbau oder Rohrlabyrinthen auf Fabrikgeländen. Hier sind unsere Prüfer in ihrem Element, hier sind sie absolute Experten. 

Doch haben sich Forscher des Niedersächsischen Instituts für historische Küstenforschung (NIhK) aus Wilhelmshaven an unsere Experten gewandt.  Auftrag: dass wir mithilfe digitaler Gammagrafie archäologische Funde durchstrahlen und über die Aufnahmen zu Durchblick und Klarheit verhelfen können bei der Analyse und Einordnung ganz besonderer archäologischer Funde: der etwa 2000 Jahre alten Bronze- und Keramik-Gefäßen sowie möglicher Grab-Beigaben, Waffen und weiterer Gegenstände, die die Archäologen bei Ausgrabungen im nach Angaben des Archäologen Gustav Schwantes „reichsten Gräberfeld der germanischen Zeit in Nordwestdeutschland“ entdeckt hatten: in der Nähe von Gut Nienbüttel bei Natendorf, knapp 20 Kilometer nördlich von Uelzen, gut 20 Kilometer südlich von Lüneburg. Schwantes selbst war um 1900 einer der Entdecker dieser Urnengräber- und Stein-Formationen mit rätselhaften Fels-Ballungen.  

Weil das einstige Grabungstagebuch, aber auch weitere Dokumente, in denen Funde festgehalten worden waren, im Streit um Kompetenzen verloren gegangen waren, galt das Gräberfeld trotz seiner überaus hohen Zahl an Grabbeigaben (oft Waffen) lange Zeit als unerforschbar. Erst jüngst ist neue Bewegung in die Sache gekommen: Forscher des  NIhK systematisierten alte Funde, haben zudem aber neue Feldforschung im Gräberfeld von Nienbüttel begonnen und gruben gemeinsam mit Wissenschaftlern vom Lehrstuhl für Ur- und Frühgeschichte der Uni Rostock. Sie fanden rätselhafte Stein-Ansammlungen und eine ganze Reihe von Waffen und anderen Gegenständen.  

Grabungs-Bilder: Niedersächsisches Institut für historische Küstenforschung

Im Dezember kamen die Wissenschaftler um die Archäologin Dr. Melanie Augstein erstmals mit Funden von den Grabungen aus dem Sommer zu uns – unter anderem mit in einem Lehmklumpen eingeschlossenen Lanzenspitzen. Michael Ruf, Projektleiter in der zerstörungsfreien Werkstoffprüfung, nahm sich der Aufgabe an, belichtete die Klumpen, las die Bilddaten von der digitalen Speicherfolie ein. Die Aufnahme baute sich auf dem Monitor auf. Zur Begeisterung der Forscherinnen zeichneten sich deutlich sichtbar die Formen der Gegenstände, auch ihr Korrosionszustand nach etwa 2000 Jahren im Grund, ab. 

Das Unbekannte fordert heraus 

Eine herausfordernde Aufgabe: Denn anders als bei Stahlrohren gibt es hier plötzlich Unbekannte, die die Ergebnisse wenig voraussagbar machen: Zum Schutz vor Beschädigungen sind die Urnen etwa eingegipst und zum Teil in Glasfasergewebe eingefasst worden. Im Inneren der teils korrodierten uralten Gefäße steckt weiterhin Erdboden, feucht gehalten, um Schäden zu vermeiden. Und auch das Wasser im Boden kann ebenso wie die Schutzschicht außen Strahlen ablenken und die Bildgebung erschweren.  

Überraschend für uns ist auch die Größe der Funde: Die mitunter missglückten Buttercreme-Torten oder windschiefen Bienenkörben ähnelnden Gebilde sind deutlich massiver als erwartet, was Umbauten an den Strahlenhaltern und der Aufnahmetechnik erfordert. „Das ist für uns schon etwas sehr Besonderes, weil die Funde spannend sind, weil es für uns aber auch etwas ganz Anderes und auch Neues ist, dem wir uns gern widmen“, sagt Michael Ruf. 

Langes Bangen bis zum Jubelschrei 

Und so passiert es, dass auf den ersten Durchstrahlungsaufnahmen kaum mehr als Schemen sichtbar werden. Wenn sich Strukturen abzeichnen, ähneln sie in einem Fall mit etwas Fantasie vielleicht der Form von Australien. Aber benennbare Erkenntnisse? Fehlanzeige. Immer wieder variieren Michael Ruf und sein Prüfer-Kollege Kurt Mildt die Aufbauten, experimentieren mit Belichtungszeiten. Die Ergebnisse bleiben strukturarm, wolkig. Wie blickdichter Nebel. Alle Teilnehmenden fiebern mit, verfolgen gebannt die Entwicklungen, drängen sich Mal um Mal um den Laborwagen. 

Und es dauert, braucht immer neue kreative Ansätze. Doch gelingt es ganz am Ende, nach diversen Versuchen, eben doch Durchblick zu erlangen: Leichenbrandstrukturen werden erkennbar, und auf der schwarz-weißen Aufnahme, die sich auf dem Bildschirm im Laborwagen aufbaut, zeichnet sich etwas spitz Zulaufendes ab. Jubelschreie im Laborwagen.  „Vermutlich der Dorn von einem Reitersporn“, sagt Dr. Melanie Augstein. Eventuell sei der begrabene Mensch Reiter gewesen.  

Eventuell werden die Forscher ihre großformatigen Gefäße zusätzlich im Leibniz-Zentrum für Archäologie in Mainz in einem Magnet-Resonanz-Tomogramm für weitere Bild-Erkenntnisse untersuchen lassen, doch lagern in Wilhelmshaven zudem noch Hunderte weitere Funde, mit denen die Wissenschaftler sich abermals nach Friedeburg aufmachen werden – auf dass Strahlentechnik und Archäologie auf der Suche nach spannenden neuen Erkenntnissen zusammenfinden. 

Den Film dazu sehen? Die Beiträge lesen? 

Hier können wir dem Institut Danke sagen für die spannende Herausforderung – das tun wir aber auch gern für die tollen journalistischen Berichte, die daraus entstanden sind. Danke an Christina Gerlach und ihr Team vom NDR-Fernsehen für den tollen Beitrag, den man weiterhin in der Mediathek ansehen kann.

Danke an Imke Oltmanns von der Ostfriesen-Zeitung, deren großen Text man hier lesen kann.

Danke an Hartmut Siefken von der Wilhelmshavener-Zeitung für seine umfangreiche Aufarbeitung, der an dieser Stelle weiterhin zum Nachlesen bereit steht. 

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