Manchmal entsteht sehr Wertvolles beim Lesen der Zeitung: Gute drei Jahre ist es her, als Ernst Berends aus Bunde in Ostfriesland beim Durchblättern des Blattes einen Bericht entdeckte über einen sterbenskranken Mann, dem der “Wünschewagen” des Arbeiter-Samariter-Bundes aus Hannover den letzten Wunsch erfüllt hatte, vor seinem Tod noch einmal das neu gebaute Zuhause seiner Tochter sehen zu können. Und er sagte sich: “So etwas können wir hier doch auch ermöglichen.” Der Feuerwehrmann klemmte sich ans Telefon, rief Freunde und Kameraden an – und fand schnell Unterstützer. Sie packten gemeinsam an, gründeten den Verein “Steernsnupp”.
Seit drei Jahren Ausflüge an Sehnsuchtsorte
Seit inzwischen drei Jahren sind die Ehrenamtlichen aus Ostfriesland nun selbst im Einsatz, um sterbenskranken Menschen noch einmal einen Wunsch zu erfüllen und sie gemeinsam mit Freunden oder der Familie an Sehnsuchtsorte zu fahren – sei es eine Fahrt ans Meer, auf eine Insel, an einen Ort aus der Kindheit oder auch das langjährige Zuhause, an dem man infolge der schweren Krankheit lange nicht mehr sein konnte. “Unser Team setzt dort an, wo Angehörige nicht mehr weiterwissen, wenn jemand nur liegend transportiert werden kann oder medizinisch betreut werden muss, aber auch wenn sich die Angehörigen einen solchen Ausflug alleine nicht mehr zutrauen”, sagt Heiner Kruse, 2. Vorsitzender des Vereins. Motto des Vereins: “Wir können nicht alle große Dinge tun. Aber wir können alle kleine Dinge mit großer Liebe tun:”
tbd-Belegschaft spendet 1000 Euro
Unser Betriebsratsmitglied Gerd Mansholt lebt in Bunde und verfolgt die Arbeit seit Langem der Ehrenamtlichen seit Langem. Er hatte den Vorschlag gemacht, „Steernsnupp“ zu unterstützen – und weil wir es großartig finden, was die ehrenamtlichen Helfer leisten, spenden wir dem Verein 1000 Euro über unsere “Aktion Glückscent”.
Dabei geben alle teilnehmenden Mitarbeiter unseres Unternehmens monatlich 99 Cent ihres Lohns für gute Zwecke – und das Unternehmen verdoppelt die Gesamtspende am Ende jedes Monats. Auf dass wir diejenigen unterstützen können, die helfen, sich einsetzen und Wertvolles tun und bewirken. Gerd Mansholt sagt: “Ich finde den Ansatz wirklich toll, sterbenskranken Menschen noch einmal einen Wunsch zu erfüllen – aber auch, wie schnell und unkompliziert der Verein Wünsche erfüllt.”
Verschrumpelte Würste auf der Heimreise als großer Wunsch
Was für Wünsche sind das? “Das ist ganz unterschiedlich, ist aber fast immer mit einem Ort verbunden, nach dem die Menschen sich sehnen”, sagt Heiner Kruse. “Da war zum Beispiel eine Frau, die kurz vor dem Sterben in Rügen in einem Hospiz lag. Sie stammt aber aus Ostfriesland, ihre Familie lebt hier – und sie war in jungen Jahren auf die Insel gelangt, als sie mit einem Wohnmobil unterwegs war, das ihr auf Rügen in Flammen aufging. Dann hat sie sich dort verliebt, eine Familie aufgebaut, eine neue Heimat gefunden. Doch kurz vor dem Tod hat sie sich gewünscht, nach Ostfriesland zurückkehren zu können. Das haben wir ihr mit einer zweitägigen Tour ermöglicht”, sagt Heiner Kruse und fügt an: “Als wir an einer Raststätte gehalten haben, war dann plötzlich ihr sehnlichster Wunsch, eines von diesen Würstchen zu essen, die dort den ganzen Tag warmgehalten rotieren, bis sie komplett schrumpelig sind. Man mag sich darüber ein bisschen wundern, aber genau solche Würstchen hat sie früher oft gegessen, als sie in jungen Jahren mit dem Wohnmobil unterwegs war. Und selbstverständlich haben wir ihr den Wunsch erfüllt und ein Würstchen geholt. Mit Senf.”
Letzter Ausflug für Punk „Schnipsy“ auf einen Supermarkt-Parkplatz
Für überregional viel Aufsehen und Anteilnahme sorgte Anfang 2023 die Geschichte des unheilbar an Krebs erkrankten 39-jährigen „Schnipsy“, der mit seinen Hunden lange Jahre vor einem Supermarkt in Weener im Rheiderland gesessen und um Kleingeld gebeten hatte. Im Hospiz in Leer hatte der stadtbekannte Punk den Wunsch geäußert, seinen Wohnwagen noch einmal zu sehen – vor allem aber noch einmal auf seinen angestammten Supermarkt-Parkplatz zurückkehren zu können, um sich von Freunden und Unterstützern verabschieden zu können. Annähernd 200 Menschen kamen, warteten in Schlangen, um dem in einem Krankenbett Liegenden Tschüs zu sagen, trugen sich mit guten Wünschen in ein Gästebuch für die letzte Reise des 39-Jährigen ein.
Die meisten Helfer haben Rettungsdienst-Ausbildung
Das Besondere bei den Helfern aus Bunde und umzu: “Wir haben fast alle eine rettungsdienstliche Ausbildung. Wir klären vor den Fahrten alle medizinischen Fragen mit den Gästen und ihren Ärzten und Familien ab. Wir können und dürfen im Zweifel dadurch aber auch Medikamente geben – etwa Morphine, die sie vielleicht gegen die Schmerzen bekommen”, sagt der 2. Vorsitzende.
Ein letzter Ausflug, ein Glas Wein am Wasser
Die ostfriesischen Helfer sind mit Schwerkranken nach Ameland gefahren. Sie haben gleich zwei unheilbarkranke, die sich im Hospiz zärtlich angenähert und im Sterben noch einmal ein wenig gemeinsames Glück gefunden hatten, zu einem Ausflug ins Fischhaus nach Ditzum mitgenommen und ihnen einen glücklichen Tag mit Blick auf Außenems und Fischkutter beschert. Sie haben einen Landwirt nach Hause auf den heimischen Bauernhof im Emsland gebracht, wo der sterbende Hofinhaber so gern noch einmal nach dem Rechten sehen, mit seiner Familie zu Mittag essen, Mittagsschlaf machen und bei Kaffee und Kuchen zusammensitzen wollte.
Sie haben eine andere Sterbenskranke aus dem Hospiz in Emden, die so gern noch einmal ein Glas Wein im Sonnenuntergang am Wasser trinken wollte, an die Knock außerhalb der Seehafenstadt gebracht. “Da haben wir den beiden gemeinsame Zeit mit Blick auf die Außenems gegeben und selbst dezent außerhalb des Fahrzeugs mit anderen Passanten gesprochen und sie gebeten, für den Moment ein wenig Abstand zu halten”, sagt Heiner Kruse.
Bislang zwei bis drei Wunscherfüllungen pro Monat
Im Schnitt zwei bis drei solcher Fahrten pro Monat ermöglicht der Verein. Steht in engem Kontakt mit den Hospizhäusern der Region, aber auch mit Palliativärzten und Onkologen. “Wenn sich jemand mit einem Wunsch an uns wendet, dann handeln wir schnell und unbürokratisch. Bei uns muss man keine Anträge stellen, kein Papier schwarzmachen. Wir klären kurz alles Wichtige ab – und dann geht es so schnell wie möglich los, und dann machen wir einfach einen Ausflug mit Freunden.”
Dank zweier Großspenden konnte der Verein für seine Wunscherfüllungen ein Fahrzeug kaufen, einen Mercedes Sprinter. Zuvor hatten die Mitglieder sich Fahrzeuge von befreundeten Rettungsdiensten geliehen. “Den Wagen kann man flexibel einrichten – für Liegendtransporte, für eine Trage, für bis zu neun Fahrgäste. Und wir haben ihn bewusst schlicht in weiß gelassen mit schwarz getönten Heckscheiben, ohne Aufschrift, ohne Rundumlichter, weil viele unserer Gäste sich wünschen, dass ihre Wünsche unbemerkt und ohne Aufsehen erfüllt werden. Dem Wunsch kommen wir natürlich auch gern nach”, sagt der Bunder.
Verein übernimmt alle Kosten für die Wunscherfüllung
Wichtig ist ihm: “Jeder Wunsch, den wir erfüllen, kostet die Wünschenden und ihre Lieben nichts. Fahrtkosten, Fährtickets: kein Problem. Wenn jemand unterwegs spontan an der Tankstelle noch einen Teddy sieht, den er gern hätte, kaufen wir den. Es soll einfach ein rundum schöner Tag sein.” Deshalb sei man sehr dankbar für Spenden wie aktuell die 1000 Euro von unserer “tbd-Berufsfamilie”. Und immer wieder zeige sich: “Mit der Erfüllung ihres Wunsches können die Menschen plötzlich auch loslassen, haben noch einmal ein möglichst schönes Erlebnis gehabt und können – beseelt davon – ihren Frieden machen.”
25 Mitglieder hat der Verein bislang, etwa ein Drittel davon sind aktive Begleiter der wunscherfüllenden Fahrten. “Natürlich freuen wir uns, wenn noch mehr Menschen auf uns aufmerksam werden und vielleicht auch als Helfer unterstützen.” Damit künftig vielleicht noch mehr sterbenskranken Menschen Herzenswünsche erfüllt werden können.